09. April 2017 von Urs Wälterlin
EXKLUSIVDESTINATION NORDAUSTRALIEN ALS NEUES COTRAVEL ERLEBNIS
Im abgelegenen Arnhemland wachen die Yolngu-Aborigines über einzigartige Felsmalereien. In ihrem Gebiet, das man als Nicht-Aborigine nur mit beschränkt erhältlichen Zutrittspässen betreten darf. Vor ein paar Jahren lernte ich das Gebiet kennen und führte Gespräche über den Sinn und das Ausmass des Tourismus‘ in dieser besonderen Region, das cotravel erstmals kommenden Herbst anbietet.
Knatternd springt der alte Land Rover über die Schotterstrasse durch den lichten Trockenwald. Es ist 8:00 Uhr früh, und das Thermometer steht bei 30° Grad. Ausser dem engen Pfad deutet nichts darauf hin, dass hier, in der Einsamkeit des australischen Arnhemland, je ein Mensch seinen Fuss hin gesetzt hat. Auf beiden Seiten des Weges zeugen verkohlte Baumstämme vom letzten Waldbrand. Meter hohe Termitenhügel, in dunklem Orange wie der sandige Boden, glühen in der Sonne. Nach weiteren fünf Kilometern stehen die Reisenden vor einer kleinen Gebirgskette. Zu Fuss geht es weiter, durch dichtes Gestrüpp und Unterholz, über Sandsteinfelsen und umgefallene Eukalyptusbäume. Die Hitze ist beissend.
Plötzlich stehen die Besucher in einer halboffenen Höhle, erleichtert und überwältigt zugleich. An der Felswand Hunderte von Malereien in brillantem Rot, Braun und Ocker: Umrisse von Kängurus, mythische Wesen, Fische, fein ziselierte Echsen und dazwischen die dünne Figur eines Menschen. Die anstrengende Fusswanderung und der Anblick der Jahrtausende alten Zeugnisse menschlicher Schaffenskraft sind für zwei Besucherinnen fast zu viel. Sie sinken in den weichen Sand. „Das ist die ‚Sixtinische Kapelle’ der Menschheit“, flüstert eine junge Frau.
ABGELEGEN UND EINSAM
Das Arnhemland im Nordosten des australischen Nordterritoriums ist eine der abgelegensten und einsamsten Regionen auf dem Planeten. Vielleicht zwei Menschen pro hundert Quadratkilometer leben in der von der Aussenwelt praktisch abgeschlossenen Urlandschaft. Das Gebiet liegt zwischen dem Kakadu-Nationalpark im Westen, der Cobourg-Halbinsel im Norden und der Stadt Nhulumby im Nordosten.
Seit 1931 sind die 92’000 Quadratkilometer das Reservat der Yolngu-Aborigines. Die Rückgabe an die Urbesitzer war nicht unbedingt ein Zeichen des guten Willens der Regierung, sondern geschah in erster Line, weil die damaligen weissen Herrscher das Land als wirtschaftlich wertlos betrachtet hatten. Weit gefehlt: Wie fast überall auf dem roten Kontinent liegen auch im Boden des Arnhemland mineralische Schätze. 1960 begann im Osten des Gebietes der Abbau von Bauxit. Die vom Rohstoffgiganten Nabalco erstellte Stadt Nhulunbuy ist noch heute in erster Linie ein Versorgungszentrum für die Bergbauindustrie.
TOURISMUS SEHR BESCHRÄNKT
Im Gegensatz zum Uluru-Nationalpark (früher Ayers Rock) in Zentralaustralien, der zwar offiziell den Aborigines gehört, aber vom Staat verwaltet wird, haben die Ureinwohner fast unbeschränkt das Sagen, wenn es um die Nutzung des Arnehmlandes geht. So leben die Yolngu in der Region noch immer in erster Linie traditionell: Sie halten spirituelle Zeremonien ab, gehen Jagen und Sammeln und pflegen in den zahlreichen Felsgebieten die Jahrtausende alten Zeugen ihrer Geschichte. Das heisst allerdings nicht, dass die Ureinwohner im Arnhemland auf Fernsehen, Telefon, Kühlschrank und einen gelegentlichen Flug in die Stadt verzichten wollen. Solche Annehmlichkeiten der Zivilisation gibt es in mehreren Siedlungen.
Bezahlt werden Satellitenfernseher und Eiscreme nicht nur mit den Abgaben aus dem Bergbau und mit den staatlichen Subventionen, sondern auch durch den Tourismus, der eine wirtschaftlich zwar bedeutende, aber trotzdem beschränkte Stellung einnimmt. Während es jedem Besucher frei steht, nach Nhulumby zu fliegen, ist der Zugang in die nicht besiedelten Regionen von Arnhemland strikt reglementiert und zahlenmässig limitiert. Individuell Reisende sind – zumindest inoffiziell – nicht unbedingt erwünscht. Bewilligungen für Privatfahrzeuge sind nur mit grossem Aufwand erhältlich. Wesentlich einfacher ist es, eine Tour mit einem von nur einer Handvoll Reiseveranstaltern zu buchen, die von den Aborigines die entsprechenden Zugangsrechte erhalten haben.
„VÖLLIG IN DER HAND“
„Das ist das beste“, meint Max Davidson, weissbärtiger Pionier des Tourismus im Arnhemland, und deutet auf die Felsmalereien. Er kennt sie wie seine Handrücken. Seit 18 Jahren unterhält er in Mount Borradaile, etwa eine Flugstunde östlich von Darwin, ein einfaches Safarilager. Nur seiner tiefen Freundschaft mit Charlie Mungalda, dem Yolngu-Stammesältesten der Region, ist es zu verdanken, dass Davidson hier sein Camp aufbauen konnte. Ein wesentlicher Teil seines Einkommens geht denn auch an den Urbesitzer, der mit dem Geld weitere Stammesmitglieder unterstützt.
„Ich bin völlig in Charlie’s Hand“, erklärt Davidson. „Er kann unsere Bewilligung von einem Tag auf den nächsten entziehen“. Wer Mount Borradaile sehen will, muss tief in die Tasche greifen: eine viertägige Tour ab Darwin kostet rund 3000 Franken. Unterkunft und Verpflegung sind gemütlich aber schlicht – und Davidson fehlt es nie an Kunden.
SCHÜTZENDE FELSUNTERKÜNFTE
Damit sind nicht nur eine atemberaubend schöne Landschaft, sondern auch einige der besten und besterhaltenen Ur-Malereien auf dem Globus einer kleinen Gruppe zahlungskräftiger Menschen vorbehalten. Die mit Ockergestein gemalten Felsbilder des Arnhemland datieren bis 50‘000 Jahre zurück, als der Meeresspiegel tiefer lag und der australische Kontinent über eine Landbrücke mit dem heutigen Papua-Neuguinea verbunden war. Je nach Zeitepoche bemalten die nomadisch lebenden Ureinwohner die Wände ihrer schützenden Felsunterkünfte mit verschiedenen Symbolen.
Ganz zu Beginn waren es die Abdrücke von Händen, dann – etwa vor 20‘000 Jahren – die Bilder inzwischen längst ausgestorbener Riesenkängurus. Etwa vor 8000 Jahren malten die Aborigines vor allem ihre Beutetiere: Fische, Krokodile, Echsen. Vor etwa 300 Jahren, in der von Experten so genannten „Kontaktperiode“, traten Zeichnungen von fremd aussehenden Menschen und Schiffen auf. Der erste Kontakt mit Händlern und Seefahrern aus dem heutigen Indonesien und schliesslich mit europäischen Siedlern und anderen Invasoren des Kontinents spiegelt sich an den Wänden der Felsen von Mount Borradaile wider.
BESSER ALS KAKADU
Nicht wenige Besucher können sich von den Felsbildern kaum losreissen, erklärt Ranger Dave Friebel. Er wacht mit Argusaugen darüber, dass niemand die Wände berührt. Viele Kunsthistoriker meinen, dass die Bilder des Arnhemland die öffentlich zugänglichen Malereien im Kakadu-Nationalpark punkto Qualität und Darstellungsvielfalt übertreffen. Und doch sind es die Werke im von Tausenden Touristen besuchten Park, die Aboriginal-Malerei weltweit bekannt gemacht haben: Das Bild des sogenannten „Blitzmannes“ am Nourlangie-Felsen findet sich in fast jedem Reiseführer. Die Kunst im benachbarten Arnhemland kennt ausser einigen Experten und ein paar Besuchern kaum jemand.
Und das dürfte sich auch nicht ändern. „Wir sind eine Exklusivdestination und wollen es bleiben. Wer es sich nicht leisten kann, muss zuhause bleiben“, meint Max Davidson. Es sei nicht Geldgier, die ihn zu dieser Aussage bringe, sondern der Wunsch seiner indigenen Gastgeber. Die Yolngu sähen den grössten Wert und das langfristige Überleben des Arnhemland in seiner Unberührtheit. Für Menschen wie Charlie Mungalda sei dies der Ort, wo die Geschichte seines Volkes ruhe, wo seine Gegenwart lebe, und wo seine Zukunft schlummere.
MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN – AUSTRALIEN
Kommende Reise ins Arnhemland mit Urs Wälterlin.
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