02. November 2015 von Hans Wernhart
BODHISATTWAS UND SCHWEIZER KARTOFFELN
Paro – Einfallstor für Reisende nach Bhutan. Nach der Hektik und dem Lärm in Kathmandu fühle ich mich in eine andere Welt versetzt. Eine überall spürbare Gelassenheit, freundliche, völlig unaufdringliche Menschen.
Eine einheitlich erscheinende, traditionelle Architektur – die auf kleine, private Häuser ebenso angewandt wird wie auf grössere, moderne Gebäude oder auf Hotels, Schulen u.ä. Sie nimmt mich unmittelbar für dieses kleine Himalaya Königreich ein. Etwa so gross wie die Schweiz, leben hier nur ca. 600‘000 Menschen – Paro (ca. 35‘000 EW) und die Hauptstadt Thimpu (ca. 100‘000 EW) sind die einzigen grösseren Städte, das übrige Land ist extrem dünn besiedelt.
ALLGEGENWÄRTIG – DER BUDDHISMUS
In den Klöstern und Tempeln ist der Buddhismus lebendig präsent – der Besucher steht zunächst sprachlos verwirrt vor dieser komplexen Glaubenswelt. Dank der kompetenten Erläuterungen durch unseren Bhutan-Experten Helmut Köllner kann meine Reisegruppe bald Einzelnes benennen und identifizieren. Nur um im nächsten Kloster zunächst wieder ratlos vor diesem uns so fremden Universum zu stehen. Buddha, seine Reinkarnationen, seine Schüler, die vielen Bodhisattwas faszinieren und bleiben doch zunächst fremd. Nach einigen Tagen passen die bis anhin verwirrenden Mosaiksteine immer besser zusammen. Die Mitreisenden und ich finden uns auf einmal selbstständig in dieser verwirrenden Welt zurecht.
Dzongs, wehrhaft-trutzige Verwaltungs- und Mönchsburgen (entfernt an mittelalterliche Kreuzritterburgen erinnernd), Klöster und Tempel prägen das Land, das einzige buddhistische Königsreich der Welt. Es gibt keine Trennung zwischen Staat und Religion – bei einer Diskussion bezeichnet ein hoher Lama dies als grössten Unterschied zwischen dem Westen und Bhutan. Und identifiziert diesen Umstand auch als „Grund aller Probleme des Westens“. Seit knapp 10 Jahren folgt die Politik dem Konzept „Gross National Happiness“ – dem Brutto-National-Glück. Ein faszinierendes Konzept, mit dem sich seit Kurzem auch die UN und einige westliche Länder ernsthaft auseinandersetzen. Das kleine Bhutan ein Vorreiter in Hinblick auf eine nicht materielle Sichtweise nationalen Wohlstands?! Ein überraschendes Land!
BHUTAN UND DIE SCHWEIZ
Seit über 50 Jahren leistet die Schweiz in Bhutan Entwicklungshilfe – anfangs als praktisch einziges Land. Für viele andere Länder war Bhutan zu abgelegen, zu klein. Ein „Schweizer der ersten Stunde“ begleitete uns zwei Tage lang durch Ost-Bhutan. Walter Rohder lebt (mit kurzen Unterbrechungen) seit über 40 (!) Jahren in Bhutan. Er berichtete von den Erfolgen der Arbeit als Entwicklungshelfer, aber auch davon, dass nicht alle Projekte wie gewünscht verlaufen seien. Die Leistungskraft der Landwirtschaft (vor allem Milchvieh und Gemüseanbau) konnte dank der Schweizer Hilfe stark verbessert werden. Eines der erfolgreichsten Programme ist die Verbreitung von Schweizer Kartoffeln in Bhutan. Vor 60 Jahren noch ohne jede Bedeutung, sind sie heute das wichtigste landwirtschaftliche Exportgut (nach Indien) und – neben Reis – eine der Säulen der Volksernährung.
Die Schweiz engagierte sich auch im Aufbau des Gesundheits- und Erziehungswesens sowie bei der Verkehrsinfrastruktur. Dank dieser Hilfen besuchen heute über 95% der Kinder eine Schule: Englisch ist von der 1. Klasse an Unterrichtssprache. Eine unglaubliche Leistung in einem Land, wo es Anfang der 60er Jahre nur 2 (!) Schulen gab. Überall wurden Hängebrücken gebaut, was für die „Erschliessung“ weiter Landesteile enorm wichtig war.
Trotz aller Fortschritte gibt es noch viel zu tun. Bhutan ist wirtschaftlich sehr einseitig ausgerichtet: Man exportiert in erster Linie Strom nach Indien – die entsprechenden Kraftwerke werden wiederum von Indien gebaut. Die Erlöse machen angeblich ca. 50% des Staatshaushaltes aus – verifizierbar sind solche Zahlen nicht. Wegen der auch in Bhutan starken Landflucht gibt es in den Städten Paro und Thimpu steigende Arbeitslosigkeit, nimmt die Produktivität der Landwirtschaft weiter ab.
REAKTIONEN DER REISENDEN
Alle Mitreisenden waren von diesem liebenswerten Land begeistert. Die reiche Kultur, die fantastischen Landschaften, die freundlichen Menschen haben uns alle in ihren Bann gezogen – so mancher träumt schon von einer zweiten Reise in das wunderbare Land des Donnerdrachens.
MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN – BHUTAN
Fotoalbum zur Herbst-Reise 2015.
Nächste Bhutan-Reise: Frühling 2016.
Weitere Reisen mit Helmut Köllner.