Erlebnisberichte

BERICHT: Reise in den Iran 2015 – II

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UNTERWEGS: Reise in den Iran 2015 mit Michael Wrase - cotravel Blog II

27. Mai 2015 von Helena Malamis

ROSEN, NACHTIGALLEN UND ARMENISCHE KAFFEEKULTUR

„Hallo Mutti, ja ich bin hier noch im Iran !“ Auf diesen Ausruf Michael Wrases freuten wir uns täglich. Ein amüsantes Kontrastelement auf der wunderbar klassischen Route, durch den etwas bekannteren Iran der Gärten, Paläste und Teehäuser.

8. Tag:
Jede Stadt hat ihren eigenen Charakter. Vom lebensfrohen, bunten Shiraz mit seinen Restaurants, Poeten und Lichtern ging’s heute nach Yazd – wieder zurück Richtung Zentraliran. Mitten in der Wüste, nach einem Pass auf 2000 m.ü.M., taucht die Stadt auf, in der die grösste iranische Gemeinschaft der Zoroastrier lebt. Kyros’ grössenwahnsinniger Grabspruch, ein Picknick im Hain eines aussergewöhnlich gastfreundlichen Herrn und eine 4000 Jahre alte Zypresse. So ging unser Fahrttag um. Arezoo, eine junge Zoroastrierin, gesellte sich zum Abendessen zu uns und weckte unser Interesse auf den morgigen Tag.

9. Tag:
Die jahrtausendealte Glaubensrichtung, mit einem dualistischen Weltbild und eigenem Schriftenbuch, pflegte auch eigene Bestattungsriten. Die etwas makabren Praktiken sind heute im Iran verboten – im Gegensatz zu Indien, wohin eine grosse zoroastrische Gemeinde nach dem Einfall der Araber geflohen war. Besuchen kann man aber die einstigen Türme des Schweigens, hoch auf spitzen Hügeln mit Sicht über ganz Yazd. Am heutigen moslemischen Feiertag war dann der aktive zoroastrische Feuertempel übervoll mit iranischen Besuchern, die ihre alte Religion nie ganz vergessen haben. Zwischen Freitagsmoschee, Lehmaltstadt und bunten Kacheleinkäufen hörten wir Michael Wrase zu, über analytischere Erklärungen des Yemen-Kriegs und die melancholische iranische Seele.

10. Tag:
Sobald sie zurück in Boston sei, wolle sie mit den Iran-Gereisten zwei weiterer US-Gruppen zusammensitzen. Um zu beraten, wie die erlebte und so unerwartete Herzlichkeit der Menschen hier am besten an ihre Mitbürger heranzutragen ist. Beim Yazder Windturm wurden motivierte Vorsätze formuliert, die hoffentlich so realisiert werden. Warmes Licht, gute Laune, Michaels tiefgreifender Vortrag über den Unterschied zwischen Schiiten und Sunniten – der schlichte Stopp bei der Freitagsmoschee in Na’in avancierte zu einem Lieblingsmoment. Der mit uns Deutsch und Englisch plappernde sowie mit unserem Referenten auf Arabisch diskutierende Postkartenverkäufer hauchte der Sehenswürdigkeit Leben ein. Genau so wie einer der alten Männer, der sich in bestem Englisch als Schweizkenner entpuppte. Die überwältigende Abendstimmung von Isfahan setzte das Krönchen auf einen weiteren friedlichen Tag.

11. Tag:
„Lavazza, wow!“ Ein gewisser Kaffee-Entzug machte sich heute dann doch bemerkbar. Im Land des Schwarztees sind die Coffee Shops des armenischen Viertels von Isfahan eine höchst willkommene Abwechslung. Bevor wir uns dem Duft frisch gemahlener Bohnen hingaben, gab uns ein armenischer Priester – der drei Kirchen im Viertel südlich des Stadtflusses unter seiner Aufsicht hat – offen und direkt Auskunft. Über die Bemühungen zur Anerkennung des Armenischen Genozids, über den interreligiösen Dialog im Iran – initiiert vom vorletzten Präsidenten Chatami –, die friedliche Koexistenz seit Jahrhunderten. Und dass man stolz sei, mit Andranik Teymourian einen armenischen Teamcaptain in der iranischen Fussballnati – dem Team Melli – zu haben.

12. Tag:
Jüdische David-Sterne und christliche Kreuze in der Wandverzierung einer Freitagsmoschee – das Amalgam der Kulturen ging weiter. Richtig abstrakt wurde es gar, als im Park des Ali Qapu-Palastes ein junger Mann in schönstem Deutsch von Helene Fischer schwärmte…! Am freien Nachmittag übte der grosse Meydan-Platz Isfahans erneut seine Anziehung aus. Pasta, ein originelles aber trockenes Stroganoff und eine – nach dem ganzen lockeren Reis plötzlich etwas schwer aufliegende – Pizza: Das armenische Viertel fühlte sich am Abend schon fast mediterran an. Junge Leute, Musik aus Cafés – auch am Shop mit den Villiger-Stumpen kamen wir wieder vorbei. „Hallo, mein Name ist David“, lachte uns in gebrochenem Deutsch der aufgestellte aber etwas vergessliche Kellner in der Kaffeebar Leo an. Ein guter Abschluss.

13. Tag:
Wie müde Blumen hingen alle Köpflein im Bus vor sich hin, zum ersten Mal. Auf der Fahrt Richtung Teheran kehrte das Bewusstsein ein, dass der vorletzte Tag – und damit das baldige Ende – gekommen war. Weniger die Moschee als eine Gruppe junger Studentinnen gewannen in Natanz unsere Aufmerksamkeit. Ein Austausch an Süssigkeiten, Gruppen-Selfies und Erinnerungsfotos fand statt. Parviz, unser bemerkenswerter Chauffeur, verteidigte am Autobahn-Kontrollposten kurz vor Teheran heldenhaft seine Fahrspur. Der Verkehr verlief – unter anderem durch den neuen, 4 km langen Stadttunnel – flüssig. 13 Millionen Einwohner also. Und für einen Tag unser Grüppchen dazu.

14. Tag:
…Natürlich reicht ein Tag nirgends hin, um die riesige Hauptstadt zu erkunden. Ist man auf der Jagd nach offiziellen politischen Statements, dann reichen auch drei Tage nicht. Diesen Schluss zog eine scheinbar erstaunte Susanne Wille von der SRF Rundschau, die mit ihrem Kameramann gekommen war, um vor Ort an offizielle Türen zu klopfen. Etwas weniger erstaunt darüber brachen wir zu unserem letzten Reiserundgang auf. Nomadenteppiche, antike Spielzeugfunde, Farah Dibas Glaskeramiksammlung und der perfekt intakte Empfangspalast des letzten Shahs. Dass wir die schmackhaften aber enormen Fleischspiesse bald vermissen würden, konnten wir uns beim Abschiedsessen in den Darband-Bergen hinter Teheran noch nicht so recht vorstellen…

 

 

MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN – IRAN

Teil I des Iran-Berichts 2015 und dazugehöriges Fotoalbum.
Videoclips von den Iran-Reisen.
Nächste Reise mit Michael Wrase: Usbekistan Oktober 2015.