12. November 2014 von Felix Blumer
IM T-SHIRT AUF DER SCHÖNSTEN SCHIFFSREISE DER WELT
Vom 15. – 28. Juli 2014 waren 25 Leserinnen und Leser der SonntagsZeitung mit cotravel auf der Hurtigruten und auf Spitzbergen unterwegs. Die Reise wurde von SRF-Meteorologe Dr. Felix Blumer wissenschaftlich begleitet. Hier folgt sein Reisebericht – auch als Einstimmung auf die nächste cotravel Hurtigruten & Spitzbergen-Reise mit ihm im Juli 2015.
Am Dienstag, 15. Juli startet die SonntagsZeitung-Leserreise nach Oslo. Mit SAS geht es via Kopenhagen in die norwegische Hauptstadt. Schon auf der Fahrt vom Flughafen ins Zentrum bricht ein erster kräftiger Regenschauer über uns herein: Fast wie Zuhause! Was wir nicht wissen: Regen wird auf unserer Reise kaum mehr ein Thema sein. Nach dem ersten Referat über die unterschiedlichen Tageslängen auf der kommenden Reise gehen wir zum Nachtessen in die neue Oper von Oslo. Das neue Wahrzeichen der norwegischen Hauptstadt liegt direkt am Wasser und ist dem Opernhaus in Sydney nachempfunden.
FAST WIE AM MITTELMEER
Bei hochsommerlichem Wetter starten wir am zweiten Tag unserer Reise zur Stadtrundfahrt in Oslo. Auf dem Programm stehen u.a. der Frognerpark mit den Skulpturen von Gustav Vigeland und die weltberühmte Skisprungschanze auf dem Holmenkollen. Nach dem Mittagessen auf dem Ekeberg steht der Nachmittag zur freien Verfügung. Bei knapp 30 Grad besuchen die Teilnehmer die Sehenswürdigkeiten der norwegischen Metropole, so das königliche Schloss oder auch das Rathaus. In Oslo scheinen die Abende nie zu Ende zu gehen, denn selbst um Mitternacht gibt es immer noch eine schöne Dämmerung.
BERGEN-BAHN: GOTTHARDBAHN UND GLACIEREXPRESS IN EINEM
Gut ausgeschlafen setzen wir uns zuerst mit dem Klima auf unserer Reise und in Norwegen generell auseinander. Schon jetzt ist klar: Die Temperaturen auf unserer Reise werden sich im obersten Bereich des in Norwegen Möglichen bewegen. Heute ist davon aber noch nicht viel zu spüren. In Oslo ist der Himmel wolkenverhangen. Am Mittag verlassen wir Oslo mit der Eisenbahn. Auf dem Programm steht die siebenstündige Fahrt mit der weltberühmten Bergenbahn. Zunächst fahren wir längere Zeit durch bewaldete Täler und an Seen vorbei, so wie wir dies auch aus der Schweiz kennen. Dann geht es über das norwegische Gebirge. Die Landschaft wird immer karger und erinnert an eine Fahrt mit dem Glacier-Express. Trotz Regen kommt die urwüchsige Kraft der norwegischen Natur voll zur Geltung. Am Abend erreichen wir die Küstenstadt Bergen.
GLEISSENDER SONNENSCHEIN IN DER NASSESTEN STADT EUROPAS
Bergen gilt mit einem Jahresniederschlag von 2000 Millimetern als nasseste Stadt Europas. Sie hat rund doppelt so viel Regen wie Zürich. Statistisch fällt im Juli an 21 Tagen Regen. Eigentlich schlechte Vorzeichen für unseren Stadtrundgang. Aber: Wetter hält sich an keine Statistik, und so erleben wir Bergen bei viel Sonnenschein. Natürlich darf ein Spaziergang durch das weltbekannte, historische Quartier Bryggen nicht fehlen. Am Ende des Rundgangs geht es mit einer modernen Standseilbahn, der Floyenbahn, hinauf zum gleichnamigen Aussichtspunkt. Von dort hat man einen herrlichen Ausblick über die Stadt und an diesem Tag auch einen fantastischen Blick auf die Quellwolken über der Küstenlinie. Am Abend startet unser Hurtigrutenschiff, die MS Vesteralen, Richtung Norden. Um 22.45 Uhr folgt als Höhenpunkt des Tages ein einmalig schöner Sonnenuntergang.
DIE PERLE DER FJORDE: GEIRANGER
Im Mittelpunkt unseres ersten Tages auf der Hurtigruten steht die Fahrt in den Geirangerfjord und wieder zurück. Der Geirangerfjord gehört seit 2005 zum UNESCO-Weltnaturerbe und ist wohl der bekannteste der unzähligen norwegischen Fjorde. Der eigentliche Geirangerfjord ist nur 15 Kilometer lang, er liegt aber rund 100 Kilometer von der Küste entfernt und ist ein Seitenarm des Sunnylvsfjord. Bei wolkenlosem Wetter geniessen wir die verschiedenen Landschaftsformen, die an uns vorbeiziehen. Der Geirangerfjord selber wird von rund 1500 Meter hohen Felswänden umgeben. Auf der Rückfahrt aufs offene Meer widmen wir uns dem Thema Wolkenformen und optische Himmelserscheinungen. Am Abend kommen wir erneut in den Genuss einer einzigartigen Abendstimmung.
TRONDHEIM BEI 29 GRAD
Der norwegische Hochsommer geht auch heute weiter. Bei strahlendem Sonnenschein besuchen wir am Vormittag die Stadt Trondheim. Den Abschluss der Stadtrundfahrt bildet der Besuch des bekannten Nidarosdom. Danach bleibt uns noch Zeit um in der Hitze durch die Stadt zu flanieren, vorbei an den malerischen alten Speichern der Stadt. Am Nachmittag nimmt die MS Vesteralen weiter Kurs Richtung Polarkreis, und am späten Abend erleben wir einen weiteren spektakulären Sonnenuntergang. Vor Mitternacht kommt heute wohl kaum ein Gast ins Bett.
NÖRDLICH DES POLARKREISES
Schon am frühen Morgen um 07.13 Uhr überqueren wir den Polarkreis Richtung Norden. Bei 66°33’ Nord steht ein Monument mit einem Globus am Küstenrand, das den Polarkreis symbolisiert. Viele Gäste verpassen diesen Moment, da es am Vorabend spät geworden ist. Niemand verpasst dagegen am späteren Vormittag die Polarkreistaufe. Meeresgott Neptun erscheint auf dem Oberdeck unseres Schiffs und giesst den Teilnehmern Eiswasser in den Nacken zum Zeichen der Überquerung des Polarkreises: Nicht jedermanns Sache! Um die Mittagszeit erreichen wir Bodö. Die drei Stunden Aufenthalt können zu einem kurzen, individuellen Ausflug in die 48’000 Einwohner zählende Stadt genutzt werden. Um 15.00 Uhr geht es mit der MS Vesteralen weiter Richtung Lofoten. Die Überfahrt über das offene Meer nutzen wir zu einem weiteren Meteoreferat zum Thema Wind. Während dem Nachtessen fahren wir der östlichen Lofotenküste entlang. Kurz vor Mitternacht macht unser Schiff noch einen Abstecher in den kurzen und extrem engen Trollfjord. Besonders faszinierend ist das grün-blaue Wasser im Fjord. Kurz danach sorgen Nebelbänke für eine Abwechslung im Wetterprogramm.
NACH TROMSÖ FOLGT DER WETTERUMSCHWUNG
Mit viel Sonnenschein startet auch der neue Tag. Nach dem Referat über die globale Erwärmung geht es mit der MS Vesteralen weiter Richtung Tromsö. Unterwegs fahren wir wieder an Nebelbänken vorbei, die uns einen Kaltluftvorstoss aus Norden anzeigen. Am Nachmittag lernen wir auf einer Stadtrundfahrt Tromsö näher kennen. Wahrzeichen der Stadt ist die Eismeerkathedrale. Am Abend nimmt das Schiff Kurs Richtung Nordkap. Es scheint als hätten wir den Schönwetterkredit aufgebraucht. Die Wolken werden auf dem Weg nach Norden immer dichter, und so wird es nichts aus dem Spektakel der Mitternachtssonne, das uns heute zum ersten Mal erwartet hätte.
WO IST DAS NORDKAP?
In dichtem Wolkengrau steuert die MS Vesteralen gegen Mittag den Hafen von Honningsvag an. Von dort geht es mit dem Car weiter Richtung Nordkap. Unterwegs gibt es einen kurzen Stopp bei einem Samenzelt. Die Samen sind die Ureinwohner dieser Gegend im Dreiländereck zwischen Norwegen, Finnland und Russland. Nach weiteren 30 Minuten Carfahrt erreichen wir das Nordkap, aber genau in diesem Moment zieht vom Meer her eine dicke Nebelbank auf. Unser Erlebnis Nordkap: Lausig kalt, stürmische Böen und eine Sicht von etwa 10 Metern. Der Blick vom Kap auf den nördlichsten Punkt Europas bleibt uns heute verwehrt. Alle sind froh, dass sie nach einem kurzen Nordkaptrunk ins wärmende Innere des Besucherpavillons dürfen. Nach gut zwei Stunden im nordnorwegischen Nebel geht es mit dem Bus zurück zu unserem Schiff. Sehr ärgerlich: Keine 10 Kilometer vom Nordkap entfernt lichtet sich der Nebel wieder. Bei bewölktem Himmel nimmt das Schiff nun Kurs nach Südosten. Allerdings bleibt uns auch in dieser Nacht die Mitternachtssonne verborgen.
AM ENDE DER WESTLICHEN WELT
Bereits am Morgen geht unsere Hurtigrutenschifffahrt zu Ende. In Kirkenes ist Endstation. Kirkenes ist nicht nur Ende der Hurtigrutenlinie, sondern auch das Ende der westlichen Welt. Wohl kaum irgendwo wird einem dies so deutlich vor Augen geführt, wie hier an der Ostküste Norwegens. Überall sind Busse zu sehen mit der Aufschrift Russian Border. Unweigerlich kommen einem die Bilder des kalten Krieges und der ehemaligen DDR in den Sinn. Uns bringt der Bus zum nahe gelegenen Flugplatz. Nach einem zweistündigen Flug hat uns die westliche Welt und auch der Hochsommer wieder. Oslo empfängt uns mit 32 Grad und sonnigem Hochsommerwetter. Hier trennen sich unsere Wege. Die Reisegruppe mit Reiseleiter Aurel Witzig fliegt am Abend nach Spitzbergen weiter. Für mich heisst es, von Norwegen Abschied nehmen. Es bleiben die Erinnerungen an die schönste Schiffsreise der Welt, die bei meist wolkenlosem Sommerwetter noch schöner war als sonst. Hurtigruten – wir kommen wieder!
MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN – HURTIGRUTEN & SPITZBERGEN
Nächste cotravel Hurtigruten & Spitzbergen-Reise mit Felix Blumer: Juli 2015.
Weiterer Hurtigruten-Reisebericht.
Mehr Reisen mit Felix Blumer: Patagonien & Feuerland 2015.
Fotoalbum mit Bildern des Referenten und von Reiseleiter Aurel Witzig.