23. Juni 2014 von Walter Bührer
Seidenstraße – hindernisreiches Samarkand
Der Registan ist unbestreitbar einer der schönsten Plätze der Welt. Wenn irgendwo, so hat man hier, im Herzen von Samarkand, das Gefühl, an einer Schlüsselstelle der einstigen Seidenstrasse zu weilen.
Die Händler sind zwar fast alle verschwunden, auch Paraden finden nicht mehr statt und vom Leben früherer Jahrhunderte ist auf dem Registan nicht mehr viel zu spüren. Dennoch bilden die drei Medresen – geistliche Hochschulen aus dem 15. und 17. Jahrhundert, die den Platz einrahmen – ein so grandioses Ensemble, wie sie höchstens mit dem Taj Mahal in Indien oder den Moscheen von Isfahan in Iran zu vergleichen sind. Ein architektonisches Märchen aus Tausendundeiner Nacht!
Um ein Haar hätte die cotravel Reisegruppe, welche den Spuren früherer Karawanenführer entlang der Seidenstrasse folgt, diesen Höhepunkt jedoch verpasst. Wäre sie nach der Fahrt von Buchara eine Stunde später in Samarkand eingetroffen, hätte sie den Registan nur noch aus der Ferne betrachten können: Der Zugang von der Hauptstrasse her war bereits geschlossen, nur ein Hintereingang blieb noch offen für eine Besichtigung des grossartigen Platzes und seiner Bauwerke. Den Grund erfuhr die Gruppe von der lokalen Reiseführerin: An den beiden folgenden Tagen sollte in Samarkand ein internationaler Kongress zu Ehren des berühmten Astronomen Ulugh Beg stattfinden.
Der Geburtstag dieses Timur-Enkels jährt sich 2014 zum 620. Mal. Nicht gerade ein Jubiläum, das üblicherweise begangen wird – für die Regierung aber alleweil ein Anlass zum Feiern und um international auf Usbekistan aufmerksam zu machen. Anders als sein Grossvater Timur ist Ulugh Beg zwar nicht als Staatsmann in die Geschichte eingegangen; als Wissenschaftler genoss er indessen Weltruhm und äusserte so revolutionäre Gedanken wie: „Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Königreiche zerstören sich von selbst, aber die Arbeiten der Gelehrten bleiben für alle Zeiten.“ Kein Wunder wurde Ulugh Beg 1449 auf Betreiben der islamischen Geistlichkeit entmachtet und geköpft… Ein simpler Wissenschaftskongress wäre indes freilich noch kein Grund gewesen, den Registan für Touristen abzuriegeln. Kurzfristig hatten sich jedoch auch der Präsident und der Regierungschef Usbekistans für den Kongress angemeldet. Entsprechend hektisch verliefen die Vorbereitungen: Rund um den Registan waren überall Putztrupps im Einsatz, Frauen aus zahlreichen Betrieben leisteten Fronarbeit und Sicherheitskräfte standen an allen Ecken bereit.
Am Abend dann war überhaupt kein Durchkommen mehr. Sogar die am Registan vorbeiführende Hauptstrasse war von Polizisten hermetisch abgeriegelt – alles wegen einer Lasershow für die Spezialgäste des Kongresses! Erst nach deren Ende, als die VIPs in Spezialbussen abtransportiert waren, wurde die Strasse wieder freigegeben. Der Park und die neu errichtete Tribüne über dem Registan blieben für Normalsterbliche jedoch geschlossen. Hartnäckigkeit zahlte sich indessen aus. Nach einigen freundlichen Bitten liessen sich die diensthabenden Polizisten überraschenderweise erweichen und gestatteten der cotravel Gruppe den Zugang zur neuen Tribüne. Als erste ausländische Touristen überhaupt kamen wir so in den Genuss, den Registan bei nächtlicher Beleuchtung von diesem privilegierten Ort aus betrachten zu dürfen.
Am nächsten Morgen folgte eine weitere Überraschung: Ab neun Uhr war das gesamte Zentrum von Samarkand für jeglichen Verkehr gesperrt. Keine Busse, keine Taxis, keine Privatautos durften mehr verkehren. Wie lange wusste niemand vorherzusagen. Wohlan denn zu Fuss! Doch auch die berühmte Nekropole Shohizinda, mit ihren herrlichen Grabmälern aus der Timuridenzeit, empfing uns mit geschlossenem Portal. Ebenfalls das Observatorium Ulugh Begs – ein weiteres Ziel jeder Besuchergruppe – war an diesem Morgen nicht mehr zugänglich. Glücklicherweise bot eine nahegelegene Seidenteppich-Manufaktur für die cotravel Gruppe eine interessante Alternative. Nach der Mittagspause dann die erlösende Botschaft: Die Gräberstadt ist wieder offen und Busse dürfen wieder verkehren! So war dann auch gewährleistet, dass wir rechtzeitig am Bahnhof für die Weiterfahrt nach Taschkent eintrafen. Trotz aller Hindernisse konnten wir die grossen Sehenswürdigkeiten Samarkands schliesslich doch aus eigener Anschauung erleben.
MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN: BURMA, BHUTAN, BANGLADESH, ASERBAIDSCHAN/GEORGIEN
Weitere cotravel Reise mit Peter Achten: im November auf die Old Burma Road.
Walter Bührer begleitet Gruppen nach Bhutan, Bangladesh und Aserbaidschan & Georgien.